Der Fährmann
Dokumentarfotografie von David Ludley über die Arbeit und den Alltag auf der Gierfähre Coswig (Anhalt).
 
															Morgengrau über der Elbe
Grau liegt der Morgen über der Elbe. Nebel hängt in den kahlen Ästen, das Wasser ist ruhig, fast reglos. Chris, der Fährmann von Coswig, steht schon an Deck. Er trägt seine blaue Arbeitsjacke, Mütze tief ins Gesicht gezogen. Kein Sonnenstrahl, kein Glanz – nur die gedämpften Geräusche des Flusses. Er greift nach dem Stahlseil, prüft die Spannung mit einem kurzen, geübten Griff. „Ich bin lieber etwas früher da“, sagt er ruhig.
Routine, die Sicherheit schafft.
Zwischen zwei Ufern
Die Elbefähre Coswig verkehrt fast das ganze Jahr über. Sie verbindet zwei Ufer, zwei Welten – Stadt und Land, Alltag und Übergang. Für viele ist sie bloß ein Weg zur Arbeit, für Chris ist sie ein Stück Leben.
„Hier draußen merkst du, wie sehr du vom Wasser abhängst“, sagt er. „Manchmal ist der Fluss ruhig wie Glas – und manchmal kämpfst du mit jeder Strömung.“
								Arbeit, die keine Kulisse braucht
Drinnen summen die Geräte. Chris überprüft Anzeigen, Funkverbindungen, Kontrollleuchten. Jeder Handgriff sitzt. Draußen klirrt Metall, irgendwo tropft Wasser von der Rampe. Die kleine Kabine ist Schutzraum und Kommandozentrale zugleich – hier steuert Chris die Fähre, beobachtet den Fluss, hört den Funkverkehr. Doch wirklich abgeschirmt ist man nie. Durch die Fenster zieht der Wind, das Licht spiegelt sich auf den Instrumenten, und das Dröhnen des Motors ist immer da.
								Zwischen Routine und Risiko
Manchmal wird der Fluss zum Schauplatz kleiner Abenteuer. Ein Reisebus, der zu groß war.
Ein Hausboot, das sich in der Leine verfing.Chris erzählt es mit einem kurzen Lächeln, halb stolz, halb gelassen.
Ein Hausboot, das sich in der Leine verfing.Chris erzählt es mit einem kurzen Lächeln, halb stolz, halb gelassen.
„Sowas passiert. Wichtig ist nur, dass du ruhig bleibst. Der Fluss macht, was er will.“
								Ein stiller Rhythmus
Auf der Fähre ist es still.
Kein Motor, kein Dröhnen – nur das leise Zischen des Wassers und das Rasseln der Kette, das in unregelmäßigen Abständen durch die Luft hallt. Die Strömung der Elbe ist die eigentliche Kraft, die sie bewegt. Über das gespannte Seilsystem nutzt die Gierfähre den Druck des Flusses, um ruhig von einem Ufer zum anderen zu gleiten. Zwischendurch klackt eine Winde, Metall schlägt gegen Metall – Geräusche, die zum Takt des Flusses gehören. Chris steht an der Reling, beobachtet die gelben Bojen, die die Leine markieren. Man spürt, dass er den Fluss kennt – nicht aus Karten, sondern aus Gefühl.
Am Ende des Tages
Der Himmel bleibt grau bis zuletzt. 
Kein Licht, das wärmt – nur ein fahles Leuchten über dem Wasser.Die Fähre legt an, das Rasseln der Kette verstummt. Chris schließt die Türen, kontrolliert die Seile ein letztes Mal.
„Der Fluss ist nie derselbe“, sagt er. „Und doch bringt er dich immer rüber.“ Dann tritt er an Land, zieht die Mütze etwas tiefer ins Gesicht. Hinter ihm liegt ein Tag zwischen zwei Ufern – still, geduldig, beständig. Wie der Fluss selbst.
								
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